Kunst und Recht

Die wichtigsten Kunstrecht Begriffe, erklärt von Dr. Pascal Decker

Das Sammeln von Kunst ist mit juristischen Themen wie Grundrechte, Urheberrechte, Nutzungsrechte eng verbunden und wirft komplexe Fragestellungen auf. Für Artquisite`s Leser klärt Dr. Pacal Decker – Rechtsanwalt und Gründer von dtb rechtsanwälte, eine der führenden Kanzleien für Kunst- und Kulturberatung in Deutschland – über die wichtigsten Begriffe des Kunstrechts auf.

Dr. Pascal Decker ist geschäftsführender Vorstand der Stiftung Brandenburger Tor und Mitglied des Vorstands der Stiftung Rolf Horn. Zudem engagiert er sich als Mitglied der Juristischen Gesellschaft zu Berlin, der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht e.V. (GRUR), des Lenkungskreises der Berliner Stiftungsrunde, des Arbeitskreises Unternehmensstiftungen des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, des Arbeitskreises Corporate Collecting des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft im BDI sowie als Mitglied verschiedener Fördervereine von Kunst- und Kulturorganisationen. Pascal Decker ist Mitglied der hochrangigen, interdisziplinär besetzten Jury, die die Auswahl der „Rudolf-Arnheim-Gastprofessur“ vornimmt. Dabei wird die Berufung der Gastdozenten durch ausländische Wissenschaftler und Künstler angestrebt, die an einer Hochschule, Forschungseinrichtung oder Museen in ihrem Heimatland tätig sind.

KUNST AUS JURISTISCHER SICHT

Frage: Die Frage nach einer Definition des Kunstbegriffes ist bis heute nicht eindeutig von der Kunstwissenschaft beantwortet. Im Gegensatz zur Kunstwissenschaft, hat der deutsche Gesetzgeber eine genaue Definition von Kunst. Würden Sie bitte für unsere Leser kurz erläutern, wie der Gesetzgeber den Kunstbegriff definiert, und nach welchen Unterscheidungsmerkmalen dies geschieht?

Dr. Pascal Decker: Die rechtliche Definition, was Kunst ist, ist im steten Wandel – wie übrigens die Kunst selbst. Man könnte sagen, dass das rechtliche Verständnis, was Kunst ist, mit der zeitgenössischen Entwicklung der Kunstszene wächst – die Kunst ist demnach der Referenzrahmen für das rechtliche Kunstverständnis.

Ging man früher noch von einem eher klassischen, formalen Kanon von Werken aus, die als rechtlich geschützte Kunst betrachtet wurden, so hat insbesondere das Bundesverfassungsgericht mit seiner sehr kunstaffinen Rechtsprechung viel zu einem offeneren, dynamischen Kunstbegriff beigetragen. Danach ist charakteristisch für eine künstlerische Äußerung, dass es wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts stets möglich ist, „der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weitreichende Bedeutungen zu entnehmen“, wie es in einer Leitentscheidung des Bundesverfassungsgerichts heißt.

Der Begriff des KUNSTRECHTs

Frage: Gibt es ein einheitliches Kunstrecht?

Dr. Pascal Decker: Nein. Das, was wir unter Kunstrecht verstehen, ist eine klassische Querschnittsdisziplin. Es berührt also zahlreiche Rechtsgebiete. Naturgemäß gibt es viele urheberrechtliche Fragen mit Kunstbezug. Aber auch die Vertragsbeziehungen zwischen Händlern, Künstlern, Sammlern und Museen würde ich als dem Kunstrecht zugehörig betrachten. Öffentlich-rechtliche Fragestellungen wie Kunst am Bau und Genehmigungsverfahren für das Aufstellen von Kunstwerken, aber auch Fragen der Künstlersozialkasse, sind ebenfalls kunstrechtliches Terrain. Und – last but not least – haben gerade die großen Kunstskandale häufig strafrechtliche Konnotationen aufgewiesen. Am Ende stehen alle kunstrechtlichen Fragestellungen dann unter dem verfassungsrechtlichen Schutz der schrankenlos geschützten Kunstfreiheit des Artikels 5 Absatz 3 des Grundgesetzes.

Frage: Kann alles, was als „Kunst“ in verfassungsrechtlichem Sinn anerkannt wird, auch unter urheberrechtlichen Schutz gestellt werden?

Dr. Pascal Decker: Der urheberrechtliche Schutz hängt an einer zentralen Voraussetzung, nämlich der Frage, ob ein „Werk“ im Sinn des Urheberrechts geschaffen wurde. Nur ein Werk, also eine persönliche geistige Schöpfung, ist nach Paragraph 2 des Urhebergesetzes Schutzgegenstand. Voraussetzung ist ein Mindestmaß an „Schöpfungshöhe“. Was das ist und ob es vorliegt, hängt vom jeweils entscheidenden Gericht ab – und natürlich von den überzeugenden Argumenten der mit der Sache befassten Anwälte.

Jahrzehntelang wurden beispielsweise Alltagsgegenstände wie Spielzeuge, Firmenlogos, Gläser als Geschmacksmuster, heute würde man sagen, Designs, aus dem Schutzbereich des Urheberrechts von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausgeschlossen, obwohl sie verfassungsrechtlich eindeutig als Kunst angesehen werden konnten. Meine Sozietät hat vor einigen Jahren dazu beigetragen, diese ungerechte Rechtsprechung in einer Leitentscheidung zu kippen. Ein anderes Beispiel aus dem Feld der bildenden Kunst, sind Fälle der Appropriation Art, also Werke von Künstlern wie Jeff Koons oder Elaine Sturtevant, mit denen sie sich Werke anderer Künstler aneignen. Dieses Phänomen ist urheberrechtlich wohl als Verletzung der vorher existierenden Kunstwerke einzuschätzen, obwohl dahinter ein komplexer kunsthistorischer Ansatz steht, den der verfassungsrechtliche Kunstbegriff zweifellos anerkennt.

Urheberschutz
IST DAS EIGENTUM AN KUNSTWERKEN VOLLSTÄNDIG ÜBERTRAGBAR?

Frage: In Anbetracht des doppelten Charakters der Kunst (materielles und geistiges Eigentum) – Wer besitzt das Eigentum an Kunstwerken? Kann dies vollständig übertragen werden?

Dr. Pascal Decker: Selbstverständlich, mit dem Kauf und der Übereignung geht das Sacheigentum an einem Kunstwerk vollständig auf den Käufer über. Ihre Frage scheint mir aber mehr auf die Ebene des sogenannten „geistigen Eigentums“ zu zielen. Tatsächlich liegt das geistige Eigentum jederzeit beim Künstler selbst und wird typischerweise beim Verkauf eines sogenannten Werkstücks gerade nicht übertragen. Der Sammler hat also, um es ganz klar zu sagen, typischerweise keinerlei Verwertungsrechte an dem erworbenen Kunstwerk. Selbst wenn der Künstler jemandem ausdrücklich, also durch eine Lizenzvereinbarung, umfassende und ausschließliche Nutzungsrechte einräumt, bleibt in unserem Rechtssystem ein unveräußerlicher Kern, das Urheberpersönlichkeitsrecht, stets bei ihm zurück.

Frage: Darf ein Kunstwerk verändert, entstellt oder zerstört werden? Und wenn ja, von wem?

Dr. Pascal Decker: Genau diese Fragen leiten sich im deutschen Recht aus dem soeben erwähnten Urheberpersönlichkeitsrecht ab. Zunächst müssen wir bei der juristischen Beurteilung aber feststellen, ob das Urheberrecht greift, also ein Werk im Sinn des Paragraphen §2 vorliegt. Ist das der Fall, unterliegt diese „persönliche geistige Schöpfung“ dem Schutz des Gesetzes. Eine Veränderung des Kunstwerks – nicht durch den Künstler, sondern durch jemand anders – verletzt den Künstler dann in seinem Urheberpersönlichkeitsrecht und kann unterbunden werden.

Der zweite, von Ihnen angesprochene, Fall – Entstellung oder Zerstörung – ist im Prinzip genauso zu beurteilen, allerdings kann der Künstler dazu stets sein Einverständnis geben. Dann ist die Sache wieder in Ordnung. Hierzu ein Beispiel: Der damals 27jährige, noch völlig unbekannte Künstler Robert Rauschenberg, klopfte 1953 aufgeregt, und mit einer Flasche Jack Daniels in der Hand, an die Ateliertür seines Idols Willem de Kooning, dem Star der abstrakten Expressionisten. Ob er, Rauschenberg eines der Bilder de Koonings ausradieren dürfe – eine Art Kunst aus Kunst? Nach ein paar ungemütlichen Minuten rückte der Altmeister schließlich ein Bild heraus, eines, das wirklich schwer auszuradieren war – der Rest ist Kunstgeschichte!

Frage: Wie lange gilt der Urheberschutz?

Dr. Pascal Decker: In den Ländern der „Revidierten Berner Übereinkunft“, also der ganz überwiegenden Zahl aller Länder, bis zum Ablauf von 70 Jahren nach dem Tod des Urhebers. Wird ein Schöpfer sehr alt, bekommt sein Werk folglich einen längeren Schutz als bei einem jung verstorbenen Künstler.

KUNSTFREIHEIT

Frage: „Kunst ist eine Tochter der Freiheit“ schrieb Friedrich Schiller. „Die Kunst ist frei – das Recht setzt Grenzen“ erläutert neuerdings der Rechtswissenschaftler, Prof. Haimo Schack, und er meint damit das Spannungsverhältnis zwischen Kunst und Recht. Kunst gilt als Herausforderung für das Rechtssystem, vor allem der Begriff der Kunstfreiheit. Was bedeutet aus rechtlicher Sicht Kunstfreiheit? Gibt es da gesetzliche Einschränkungen?

Dr. Pascal Decker: Die Kunstfreiheit ist in der Verfassung schrankenlos gewährleistet – das ist im Kanon der Grundrechte die stärkste Form der Freiheitsgarantie, da viele andere Grundrechte ausdrücklich unter Schrankenvorbehalten stehen. Damit hat bereits der Verfassungsgeber klargestellt, wie hoch er die Bedeutung der Kunst für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung einschätzt, und zugleich für deren Einschränkung entsprechend hohe Hürden errichtet. Denn einschränkbar ist auch die Kunstfreiheit gleichwohl – nur müssen die Gründe dafür sehr gravierend sein. Juristisch spricht man von „verfassungsimmanenten Schranken“, also ebenfalls von der Verfassung geschützten Rechtsgütern, beispielsweise den Grundrechten anderer. Zwischen diesen Rechtsgütern und der Kunstfreiheit muss dann im Konfliktfall eine Abwägung vorgenommen werden, welches in diesem Einzelfall schwerer zu gewichten ist. Die typischen Fälle waren, wenn Sie sich die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte zu dieser Frage anschauen, Beleidigungsdelikte, bei denen die Rechte des Beleidigten in Rede standen, Fälle mit pornographischen Implikationen, bei denen es um den Jugendschutz und die sittliche Ordnung ging, und Fälle, die den Tierschutz betrafen – beispielsweise die „Blutkunst“ von Hermann Nitsch.

Relevant war diese Frage ja erst vor kurzem, im Fall Böhmermann. Hier ging es genau darum, ob Böhmermanns „Gedicht“ als Satire der Kunstfreiheit untersteht, oder ob es sich um strafrechtlich zu sanktionierende Schmähkritik und somit eine Beleidigung handelte. Bisher scheint dieser Fall in dubio pro libertate, im Zweifel zugunsten der Kunstfreiheit auszugehen.

Frage: Können Sie Fälle nennen, in denen das Urheberrecht (bzw. das Leistungsschutzrecht) zugunsten der Kunstfreiheit eingeschränkt wird?

Dr. Pascal Decker: Die Diskussion um das Urheberrecht und seine Grenzen ist eine der spannendsten rechtspolitischen Diskussionen unserer Zeit und ganz sicher noch lange nicht abgeschlossen. Die Digitalisierung hat zu einer schier unermesslich großen Anzahl von Fällen geführt, in denen das Urheberrecht missachtet, ignoriert, ja ausgehebelt wurde. Die Argumentation, wenn man sich überhaupt die Mühe macht, juristisch zu argumentieren, ging dann meist dahin, dass die Kunstfreiheit es gebiete, alle Kunst frei nutzen zu können – also ohne die lästige Einschränkung durch Rechte anderer Urheber. Ganz so einfach ist das nicht. Wir haben aus gutem Grund ein System des geistigen Eigentums entwickelt, das letztlich einen Ausgleich versucht, zwischen dem äußerst berechtigten Interesse des Künstlers, von seiner Kunst leben zu können, und dem Interesse der Allgemeinheit an der freien Nutzung seiner Kunst – besonders auch durch nachschaffende Künstler. Wenn man das einfach ignoriert, wird das Auswirkungen auf die kreative Szene haben, das ist klar.

UNGLEICHE WISSENSBESTÄNDE BEIM KUNSTKAUF. DIE ROLLE DER KUNSTEXPERTEN

Frage: Wie lässt sich mit dem Risiko ungleicher Wissensbestände in Bezug auf die wertgenerierende Identität von Kunst rechtlich umgehen? Ein Beispiel hierfür ist der berühmte Fall des Augsburger Auktionshauses, das einen Perserteppich als „Bettvorleger“ für knapp 20.000 € verkaufte, der wenig später bei Christie’s – das Londoner Auktionshaus hatte ihn als wertvollen Vasenteppich aus dem 17. Jahrhundert identifiziert – für 7 Millionen Euro erstanden wurde, woraufhin die ursprüngliche Besitzerin das in Augsburg ansässige Unternehmen verklagte. Ist das Risiko von Informationsungleichgewichten im Kunsthandel rechtlich geregelt?

Dr. Pascal Decker: Marktteilnehmer verfügen über besseres Wissen als andere und nutzen es zu ihrem eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Das ist marktwirtschaftlich gesehen nicht verwerflich, solange der Wissensvorsprung fair erworben wurde und nicht auf unlauteren Mitteln beruht. Das sind dann zum Beispiel Insider-Geschäfte, die ähnlich wie in der Finanzbranche behandelt werden sollten, oder sogar Marktmanipulationen, beispielsweise, dass Einlieferer und Bieter sich abstimmen, um möglichst hohe Preise für ein bestimmtes Kunstwerk zu erzielen – da kommen Sie unter Umständen in den Bereich des Kartellrechts. Unsere Kanzlei setzt sich seit vielen Jahren sehr aktiv für eine Diskussion von Complianceregeln auf dem Kunstmarkt ein, weil wir glauben, dass faire Regeln letztlich zum Vorteil aller Marktteilnehmer sind.

Der von Ihnen erwähnte Teppichfall weist nach meiner Einschätzung in eine andere Richtung – verklagt wurde ja nicht derjenige, der von seinem Wissensvorsprung profitiert hat, sondern das Provinzauktionshaus, das nach Ansicht der Einlieferin denselben wertschöpfenden Wissensstand hätte haben und eine unter dem Wert liegende Verauktionierung hätte verhindern müssen.

Frage: Wie der Fall des Augsburger Auktionshauses zeigt, kommt dem Kunstexperten eine zentrale Funktion auf dem Kunstmarkt zu, da er über „Zuschreibungsautorität“ verfügt, indem er über die Zertifizierung der Echtheit eines Werks maßgeblich zu dessen monetärer Wertschätzung beiträgt. Wie regelt der Gesetzgeber die Haftung von Kunstexperten, zumal „Kunstexperte“,zumindest in Deutschland, kein geschützter Begriff ist? Gibt es bestimmte Anforderungen, um diese Unsicherheit bei Beurteilung von Kunst zu mindern?

Dr. Pascal Decker: Noch stärker als durch den Augsburger Teppichfall, ist meines Erachtens die Bedeutung von Kunstsachverständigen durch die Beltracchi-Fälschungen in die Diskussion geraten. Es waren ja nicht zuletzt die angesehenen Experten, die dem Schwindel durch ihre Expertise Glaubwürdigkeit verliehen und damit zum Erfolg verholfen haben.

Die Haftung des Experten richtet sich nach allgemeinem Zivilrecht, wobei wir da den Fall, dass der Auftraggeber einer Expertise sich wegen Schlechtleistung wehrt, von demjenigen unterscheiden müssen, in dem ein Dritter sich auf ein Auftragsgutachten, hinsichtlich der Zuschreibung, verlassen hat. Eine Dritthaftung für ein Expertengutachten ist nicht so leicht zu konstruieren, da dem Experten erstens ein verschuldeter Fehler bei der Begutachtung nachgewiesen werden müsste, und er, zweitens, im Bewusstsein gehandelt haben müsste, dass sein Gutachten gegenüber einem Dritten verwendet werden wird – nicht unmöglich, aber anspruchsvoll.

Für mich geht die Entwicklung in eine andere Richtung: Ich halte es für wahrscheinlich, dass es im kommenden Jahr zum rechtlich geforderten Sorgfaltsmaßstab bei Auktionen und öffentlichen Verkäufen werden wird, zumindest ab einem bestimmten Wert, standardisierte Materialgutachten einzuholen – dadurch würde die Bedeutung von kunstgeschichtlichen Sachverständigengutachten unweigerlich zurückgehen.

Frage: Ab wann darf ein Kunstwerk als Antiquität bezeichnet werden?

Dr. Pascal Decker: Der Begriff „Antiquität“ ist weder gesetzlich definiert noch geschützt. Allerdings hat es sich im allgemeinen Sprachgebrauch der Branche eingebürgert, ab einem Alter von etwa 100 Jahren von einer Antiquität zu sprechen. Es gibt eine Definition von Antiquitäten im Zolltarif, der sich auf die steuerliche Behandlung bei der Einfuhr von Kunstgegenständen bezieht. Hier sind 100 Jahre genannt. Möglicherweise geht die heutige Praxis darauf zurück.

Frage: Nach welchen Kriterien wird ein Kunstwerk als „besonders bedeutsam und damit identitätsstiftend”,gemäß des neuen Kulturschutzgesetzes, definiert?

Dr. Pascal Decker: Diese Einstufung ist Sache der Länder. Ob Werke als „besonders bedeutsam“ für das kulturelle Erbe angesehen werden, ist regelmäßig eine Einzelfallentscheidung. Dazu soll nach dem Kulturgutschutzgesetz jedes Bundesland ein Komitee aus Sachverständigen berufen, die sich die Werke zur Beurteilung ansehen. Sie berühren damit einen aus meiner Sicht kritikwürdigen Punkt. Jenseits der sehr unzureichenden Determinanten „Alter“ und „Marktwert“, ist es äußerst ungewiss, was ein Kunstwerk so herausragend bedeutsam macht, dass es nachgerade identitätsstiftende Kraft besitzen soll.

Das Kulturgutschutzgesetz

Frage: Seit knapp einem Jahr gilt in Deutschland das neue Kulturgutschutzgesetz, das für große Kritik und Empörung gesorgt hat. Kann man heute bereits eine Bilanz ziehen, ob das Gesetz seine Aufgabenstellung erfüllt oder verfehlt?

Dr. Pascal Decker: Monika Grütters hat ja vor wenigen Tagen eine durchweg positive Bilanz, bezüglich des vorher gefürchteten hohen Verwaltungsaufwandes des neuen Gesetzes, gezogen. Aus den Gesprächen mit unseren Mandanten, aber auch aus öffentlichen Stellungnahmen des Handels, habe ich da meine Zweifel. Wir vertreten nach wie vor die Auffassung, dass das Genehmigungsverfahren zu kompliziert und verwaltungslastig ist. Sollte es tatsächlich bisher nicht die allseits befürchtete „Antragsflut“ für einzutragende Werke gegeben haben, hat das eine unter Umständen ebenfalls problematische Ursache, nämlich, dass das Gesetz von Vielen in seinen Anforderungen schlicht ignoriert wird. Dieses Szenario ist aus rechtsstaatlicher Sicht stets das schlimmste: Schraubt der Gesetzgeber die Anforderungen für einen Bereich so hoch, dass sich letztlich kaum noch jemand daran hält, droht am Ende, die Glaubwürdigkeit des Systems Schaden zu nehmen. Hinzu kommt, dass das Gesetz, allein schon durch die turbulente Art, wie es zustande kam, hohe Kollateralschäden verursacht hat.

Der Kunstmarkt ist ein dezenter Markt, der in größtem Maße Wert auf Freiheit und Diskretion legt. Dieses Gesetz hat die Logik des Marktes missachtet und dadurch dem nationalen Markt bereits durch seine schiere Existenz Schaden zugefügt. Wie es weitergeht, hängt nun von der vorgesehen Evaluation des Gesetzes im Jahre 2018 ab – man soll die Hoffnung nicht aufgeben.

KRITERIEN FÜR DEN KUNSTKAUF

Frage: Würden Sie drei Grundregeln beim Erwerb von Kunst benennen, die Sie als wichtig erachten?

Dr. Pascal Decker: Ich nenne Ihnen eine, weil ich sie für die wichtigste halte: Kaufen Sie mit den Augen, nicht mit den Ohren. Das heißt: Lassen Sie sich vom vermeintlichen Raunen über die Güte und Werthaltigkeit eines Kunstwerks nicht leiten und vertrauen Sie Ihrem eigenen Blick auf das, was Sie sehen. Und nutzen Sie jede sich bietende Gelegenheit, um diesen Blick zu schulen. Am Ende entwickeln Sie nur so ein eigenes und tragfähiges Qualitätsverständnis, das es Ihnen erlaubt, unter Einsatz von Herz undVerstand, Kunst zu erwerben.

Dr. Pascal Deckert

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